Das unberührte Goldene Buch

Von | 1. Dezember 2018

Bei den Recherchen für die Fortsetzung der Stadtchronik kommt es zu einer überraschenden Entdeckung: Aus den Tiefen des Stadtarchivs taucht ein unbenutztes "Goldenes Buch" aus der Amtszeit von Bürgermeister Ruffing auf.

Alles beginnt mit dem Entschluss der Stadt, die große Tradition der Chroniken in Tirschenreuth fortzusetzen. Thomas Sporrer bekommt den Auftrag und soll sich unter anderem der Thematik "Wirtschaft" annehmen. Dazu will Sporrer ein Interview mit Alfred Mehler führen, dem früheren Geschäftsführer der Tuchmacherfirma. Doch noch vor der ersten Frage überrascht Mehler mit einem ungewöhnlichen Buch im Din-A-4-Format, auf dem sich vorne auf dem grünen Einband der Firmenstempel findet.

Gähnende Leere

Erstaunlich ist das "Innenleben": Ein großes Stadtwappen, gefolgt von einem Vorwort des ehemaligen Bürgermeisters Karl Ruffing. Im Text wird mehrmals "Die Chronik der Stadt Tirschenreuth" erwähnt. Allerdings fehlen Unterschrift und Datum. Auf den ersten Seiten wird die Entwicklung der Stadt geschildert, dann folgen die wichtigsten Betriebe der Stadt mit kurzen, ein- oder zweiseitigen Beschreibungen. Und dann: gähnende Leere, zwei Drittel des Buches sind leere Seiten!

Hochwertige Ausführung

Alfred Mehler hatte das Buch aus alten Beständen der Firma mit zu sich nach Hause genommen, um es zu sichern. Vom Zweck und warum es bei der Firma gelandet ist, weiß Mehler aber nichts. War das eine "vergessene Chronik", fragt sich Sporrer. Bei der Stadt Tirschenreuth kommt Beate Heinrich, die Hüterin des Stadtarchivs, die Beschreibung bekannt vor. Sie findet in den Regalen eine prachtvollere Ausführung mit Unterschrift von Karl Ruffing und dem Datum 1963, das vorletzte Jahr seiner Amtszeit. Goldschnitt, handschriftliche Anmerkungen, hochwertige Grafiken und Bildern, sowie die Buchgröße von 40 mal 60 Zentimetern lassen die Vermutung zu, dass es sich um eine "vergessene Chronik" der Stadt handeln könnte. In dem großen Buch finden sich die Beschreibungen der Betriebe erst nach etwa 200 komplett leeren Seiten.

Kontakt zu Kunstverlag

Warum waren diese Seiten leer? Bürgermeister Franz Stahl und Pressesprecher Mirko Streich sind auch total überrascht, keiner kann sich einen Reim darauf machen. In der Verwaltung findet sich ebenfalls niemand, der sich an dieses Buch erinnern kann. Franz Krapf, Leiter des Historischen Arbeitskreises in Tirschenreuth, kennt das Buch, erinnert sich, eines oder zwei davon nach dem Brand im Möbelhaus Gleißner Ende der 80er Jahre aus den Trümmern gezogen und Eberhard Polland übergeben zu haben. Doch über die Funktion des Buches weiß auch er nichts. Thomas Sporrer will noch nicht aufgeben und sich an den Kunstdruckverlag Bühn in München wenden, der die Bücher 1963 erstellt hat. Und tatsächlich gibt es den Verlag noch. Sporrer erreicht am Telefon Patricia Bühn, die Nachfolgerin der Firmengründer, die 1962 das Unternehmen aufgebaut hatten. Von ihr erfährt er, dass sich der Verlag damals auf "Goldene Bücher" für Städte spezialisiert hatte. "Was sie da haben, ist das offizielle von der Stadt Tirschenreuth in Auftrag gegebene Goldene Buch". Handschriftlich in wochenlanger Arbeit erstellt, mit Original-Grafiken im Buch …

Stolzer Preis

Und tatsächlich ist auch in der Chronik ein Bild mit G. de Crignis signiert. Im Internet findet sich eine deckungsgleiche Chronik von Pfarrkirchen aus dem Jahre 1964, Ausführung Fritz de Crignis. Die Brüder haben diese Chroniken Anfang der 60er Jahre mit viel Aufwand wahrscheinlich gemeinsam geschaffen, ist auch Patricia Bühn überzeugt. Wochen später stößt Thomas Sporrer beim Studium alter Ausgaben des Neuen Tags (DNT) aus dem Jahre 1964 auf die nächste Überraschung: Bürgermeister Ruffing hatte dieses "Goldene" Buch am 2. Januar groß vorgestellt, natürlich mit Foto. Über Monate sei in Handarbeit das "Goldene Buch" der Stadt Tirschenreuth vom Bühn-Verlag aus München gestaltet und schließlich von der Stadt angeschafft worden. Zukünftig würde sich alle wichtigen Besucher dort eintragen! Die Kosten des großen Originals wurden nicht erwähnt, die der "kleinen" Ausgabe, so wie sie Alfred Mehler noch hat, betrugen damals schon 50 Mark. 1964 ein wahrlich stolzer Preis. 25 Stück wurden davon angefertigt und den Firmen zum Kauf angeboten. Vier der Bücher wurden bisher wiederentdeckt….

 

Quelle und ganzer Text: https://www.onetz.de/oberpfalz/tirschenreuth/unberuehrte-goldene-buch-id2564749.html