Studie: Im Kreis Tirschenreuth sind die Menschen zufrieden

Von | 24. August 2019

 

 



 

Deutschland ist nach einer neuen Studie weit von gleichwertigen Lebensverhältnissen in seinen verschiedenen Regionen entfernt. Das geht aus dem "Teilhabeatlas Deutschland" des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung und der Wüstenrot-Stiftung hervor, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Wie gut Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben könnten, hänge zu einem guten Teil von ihrem Wohnort ab, sagte Direktor Reiner Klingholz. Die Frage sei, wie Politik auf diese Unterschiede reagieren wolle. "Es geht darum, ob sie die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen als Ziel hinterfragen muss."

Die "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" ist in Artikel 72 des Grundgesetzes erwähnt. Eine Kommission aus Bundesministerien und Ländern habe sich bisher jedoch nicht darauf einigen können, was unter Gleichwertigkeit zu verstehen sei, betonte Klingholz. Deshalb wolle der "Teilhabeatlas" die Realität abbilden.

Besonders gut sind Teilhabechancen demnach in Baden-Württemberg, in Teilen Bayerns und im südlichen Hessen. Besonders schlecht stehen auch 30 Jahre nach dem Mauerfall viele ostdeutsche Regionen da – aufstrebende Städte wie Dresden, Jena oder Potsdam ausgenommen. Ihr Schicksal teilen schwächelnde Regionen im Osten inzwischen mit vielen Ruhrgebietsstädten und Teilen von Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Niedersachsen und Schleswig Holstein. Und auch die Hauptstadt Berlin gehört mit ihren Daten zu den Schlusslichtern der Republik.

Gefragt haben die Autoren in rund 300 Interviews mit Bürgermeisten, Wirtschaftsverbänden, Schulen oder Vereinen auch nach dem Lebensgefühl in 15 Regionen in Ost und West. Danach korrespondiert der Wohlfühl-Faktor längst nicht immer mit den statistischen Daten. Das zeigt sich auch im Kreis Tirschenreuth, den die Studienautoren in die mittlere Kategorie ihrer ländlichen "Cluster" (siehe Infokasten) einordneten: nicht "abgehängt", aber auch keine "erfolgreiche" Region.

Viele Gespräche geführt

Hier waren die wissenschaftlichen Institutsmitarbeiter Frederick Sixtus und Sabine Sütterlin an drei Tagen im Januar 2019 unterwegs, um mit den Menschen zu sprechen. "Es gab vorab vereinbarte Einzelgespräche, etwa mit Kommunalpolitikern, Vertretern von Wirtschaft, Medien und Verwaltung", erläutert Sixtus auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Dann folgten Diskussionsveranstaltungen in den Städten Tirschenreuth und Bärnau, bei denen die Forscher weitere Eindrücke sammelten. "Wir haben einen offenen Fragebogen benutzt, der eine gewisse bundesweite Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherstellen soll", so der Soziologe.

Gefragt haben Sixtus und Sütterlin unter anderem, wie zufrieden die Menschen mit ihrem Leben im Landkreis sind, was sie stört, wie sie die Entwicklung der Region beurteilen und wie sie in die Zukunft blicken. Sie wollten von ihnen aber auch wissen, ob sich ihrer Meinung nach die Politik ausreichend um ihre Bedürfnisse kümmert, und wie sie selbst dazu beitragen, die Lebensqualität in ihrer Heimat zu verbessern. Sixtus' Eindruck: "Die Tirschenreuther sind sehr anpackend, optimistisch und zufrieden." Aber er betont: "Wir haben rein subjektive Ansichten zusammengetragen, keinen repräsentativen Querschnitt." Was sie bei ihren Gesprächen öfter gehört hätten: "Es geht bergauf, und es kehren mehr junge Menschen zurück."

 



 

"Krass und schön"

In der Studie finden sich eine Reihe von (anonymisierten) Aussagen, die etwas über das Lebensgefühl im Kreis Tirschenreuth aussagen. "Es gibt auf der ganzen Welt nix Krasseres und Schöneres, als hier zu wohnen", lautet die Einschätzung eines oder einer Befragten. Ein Berufssoldat meinte: "Wenn mein Dienstgrad in Tirschenreuth lebt, ist er gut situiert, wenn der gleiche Mensch in München lebt, ist er eine Kirchenmaus."

Auch weitere Wege, etwa zu Kulturveranstaltungen, seien kein Problem: "Ich vergleiche das immer mit München: In der Stadt muss ich eine Stunde fahren, das muss ich auch, wenn ich von hier nach Regensburg fahre." Wenn die Tirschenreuther im "Teilhabeatlas" Unmut äußern, dann bezieht sich das meist auf die Versorgung: "Man ist auf das Auto angewiesen. Erst kürzlich wurde der Stadtbus in der Kreisstadt eingestellt. Außerhalb der Ortschaften ist das Internet langsam, das Mobilfunknetz lückenhaft, Ärzte werden händeringend gesucht. Viele kleine Läden weichen den großen Supermärkten an den Ortseingängen."

Flüchtlinge oder Migranten, woanders ein Aufreger, sind hier laut der Studie kein Thema. "Sie sind weder in großer Zahl vorhanden, noch gibt es eine ausgeprägte Stimmung gegen sie", schreiben die Autoren. Zudem würden die Nachbarn von jenseits der Grenze als Bereicherung gesehen: "Ohne die Tschechen wäre das Tirschenreuther Freibad ein Defizitgeschäft", heißt es in den anonymen Zitaten, "und in der Gastronomie läuft gar nichts ohne die."

Selbst in prosperierenden Städten seien die Menschen nicht durchweg zufrieden, sagte Autor Manuel Slupina. Es gab etwa Klagen über zu hohe Mieten und Unverständnis über fehlende Schul- und Kitaplätze. "Das lag aber auch daran, dass sich Erzieherinnen mit ihren Gehältern diese Städte nicht leisten konnten", ergänzte Slupina. Außerdem wurde über lange Staus sowie überfüllte Busse und Bahnen geklagt.

 

 

Die "Alten und die Doofen"…

Quelle und ganzer Text: https://www.onetz.de/oberpfalz/tirschenreuth/studie-kreis-tirschenreuth-menschen-zufrieden-id2825792.html