Proben zum Oberpfälzer Jedermann im Kettelerhaus – Mit Mammon und Teufel an einem Tisch

Von | 13. Oktober 2017

Warum soll sich jemand, der vor drei Jahren den "Oberpfälzer Jedermann" gesehen hat, im Oktober die zweite Auflage anschauen? Die Frage stellen wir Regisseur Stefan Tilch und der hat viele Argumente.

Das Erste: "Was die Theatermacher hier leisten, ist Wahnsinn. Da muss jeder Tirschenreuther mit Stolz und Begeisterung sagen, schau' mal was wir da haben, welche Qualität von Texten auf welche Art und Weise hier gespielt werden, in einem völlig professionellen Ambiente", lobt Tilch sein Ensemble. In Tirschenreuth fände der Intendant des Landestheaters Niederbayern stets professionelle Bedingungen vor.

Faszination Tod

"Als Regisseur kann ich nur erzählen, was ich selbst mit Herzblut fühle. 'Jedermann' ist ein großer Text, Jahrhunderte alt und endlos erfolgreich. Er fasziniere die Menschen mit dem Gedanken an den Tod. Den Moment wo sie in ihr eigenes Leben hineinschauen und sich damit auseinandersetzen, danach fragen müssen, was ist es denn wert, was haben wir bisher erreicht, was davon kann denn mit in eine andere Welt, jenseits dieser physischen gehen?" An der Grundstory, wie sie Johannes Reitmeier für die Tirschenreuther Bühne geschaffen hat, ändere ich nichts. Doch habe ich eine andere Erzählweise, lege Schwerpunkte auf andere Details und Requisiten."

Andere Handschrift

Es werde schon eine andere Handschrift erkennbar sein, sagt Tilch. Gleich am Beginn des Stückes will er das, "kindlich naive, unschuldige Bild von einem Gott, der schmollend dahockt, und Rache an Jedermann nimmt", umkrempeln. "Die Vorstellung, da sitzt Gott mit Bleistift und Papier, schaut alles an, was wir machen und bewertet es als gut oder schlecht ist leicht verständlich für den Zuschauer, aber das Ganze dürfte doch viel komplexer sein. Ich habe große Schwierigkeiten mit der völligen Gleichsetzung von Glaube und Religion, beziehungsweise Kirche.

Verwendet man im Stück diese Gleichschaltung, kommt das so raus, dass der Weg zum Heil nicht das tiefe Annehmen eines Glaubens ist, sondern das sture Befolgen kirchlicher Regeln genügt. 'Vater unser' beten, in die Kirche gehen, beichten und so weiter." Tilch denkt darüber nach, ob das Stück vom Sterben des reichen Mannes unter Umständen gar nicht von dessen physischem Tod handelt. Vielleicht könne man es auch als eine Art der Umkehr, der Konfrontation mit sich selbst lesen. Es sei hochinteressant wie sich Jedermann in den ersten Szenen gegenüber den Vettern, dem armen Nachbarn, dem Schuldknecht und der Mutter verhalte. Tilch liest ihn keineswegs als kaltschnäuzigen, zynischen Draufhauer. "Wäre er das, müsste er sich gar nicht auseinandersetzen. Er ist reich und könnte die alle einfach stehen lassen. Stattdessen aber rechtfertigt er sich, versucht seine Positionen ins rechte Licht zu rücken. Sein schlechtes Gewissen ist ständig latent vorhanden." Jedermann rede sein Leben schön. Er lenke sich vom realistischen Blick auf sich selbst ab. Das tue die moderne Gesellschaft übrigens auch.

Vom Saulus zum Paulus

Jedermann sei der Versuch stehen zu bleiben und sich mit sich auseinanderzusetzen. Am Ende dieses Prozesses stehe – so die Utopie – das Sterben seines Egos, seiner Verhärtungen, seiner irdisch materiellen Lebensart und die Hinwendung zu Glaube, Offenheit und Annahme von Liebe. Mit der Wandlung des Saulus zum Paulus sei das sogar biblisch verbürgt. Ob er im Stück dann wirklich stirbt oder nicht oder der Schluss offenbleibt, spiele keine Rolle.

Letzteres stehe noch nicht fest, "soweit bin ich noch nicht. Ich entwickle ständig neue Dinge, probiere aus. Vielleicht gibt es nicht unbedingt ein offenes aber doch ein konkreteres Ende, als dass alle um Jedermanns Sarg herumstehen."…

Quelle und ganzer Text: https://www.onetz.de/tirschenreuth/kultur/proben-zum-oberpfaelzer-jedermann-im-kettelerhaus-mit-mammon-und-teufel-an-einem-tisch-d1786268.html?cp=Kurationsbox